Rechtsanwalt für Sexualdelikte

Sexualstrafrecht bundesweit

Was ist eine Nebenklage?

Strafverfahren wegen Sexualdelikten haben regelmäßig dieselbe Ausgangssituation gemein: Das vermeintliche Opfer ist der wichtigste und einzige Zeuge. Damit steht es Aussage gegen Aussage. Für die Beweiserhebung und die Entscheidung des Gerichts ist die Aussage des vermeintlichen Opfers nunmehr von höchster Bedeutung.

Dennoch hat das vermeintliche Opfer im Sexualstrafverfahren grundsätzlich keine besonderen Rechte, wenn es dort als Zeuge auftritt. Anders ist dies nur, wenn das vermeintliche Opfer im Wege einer Nebenklage am Verfahren beteiligt ist.

 

Wieso strebt ein vermeintliches Opfer eine Nebenklage im Sexualstrafverfahren an?

Steht der Vorwurf eines Sexualdeliktes im Raum, wird nahezu in jedem denkbaren Fall der persönliche Lebensbereich des vermeintlichen Opfers und des Beschuldigten durch das Verfahren in besonderem Maße betroffen sein.  So stehen dem vermeintlichen Opfer detaillierte und vielfach als unangenehm empfundene Fragen durch diverse unbekannte Dritte hinsichtlich dessen Sexualität bevor.  

Nicht zuletzt aus diesem Grund haben viele vermeintliche Opfer von Sexualstraftaten ein Interesse daran, das Verfahren aktiv mitzugestalten. Diese Möglichkeit wird ihnen durch die Nebenklage vom Gesetzgeber gewährt.

 

Was ist eine Nebenklage genau?

Nach der Rechtsprechung des BGH wird einem Verletzten durch die Erhebung einer Nebenklage die Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen; insbesondere durch aktive Beteiligung (z.B. Erklärungen, Fragen, Anträge) das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Leugnung oder Verharmlosung seiner Verletzung zu wehren.  

Grundsätzlich gibt es in einem Strafverfahren drei Hauptbeteiligte: den Angeklagten – mit seinem Strafverteidiger – sowie die Staatsanwaltschaft und den Richter. Sodann wird im Wege der Nebenklage besonders schutzwürdigen Verletzten eine umfassende Beteiligungsbefugnis im gesamten Verfahren eröffnet, welche ab der Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft beginnt. Der Nebenkläger ist also ein Zusatzbeteiligter im Strafverfahren. 

Voraussetzungen für eine Nebenklage ist ein entsprechender schriftlich bei Gericht einzureichender Antrag des Verletzten.

Zudem muss der Verletzte zur Erhebung einer Nebenklage berechtigt sein. Dies sind meint u.a. besonders schutzwürdige Verletzte, d.h. Verletzte, die durch Straftaten, die in den persönlichen Lebensbereich eingreifen, verletzt worden sind. Hierzu zählen nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 StPO insbesondere die Sexualstraftaten, wie etwa die verschiedenen Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs, die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung.

 

Welche Rechte hat der Nebenkläger?

Seiner Rechtsstellung nach ist der Nebenkläger ein mit besonderen Rechten ausgestatteter Verfahrensbeteiligter. Er hat bestimmte Rechte, die sonst ausschließlich der Staatsanwaltschaft zustehen, übt diese jedoch völlig unabhängig von ihr aus.

Zu den Rechten des Nebenklägers gehört zunächst sein Recht auf ständige Anwesenheit in der Hauptverhandlung nach § 397 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der Nebenkläger ist danach auch dann zur Anwesenheit in der Verhandlung berechtigt, wenn er als Zeuge vernommen werden soll. Dies ist insofern eine Besonderheit, als dass Zeugen normalerweise nicht mitbekommen sollen und dürfen, was andere vor ihnen vernommene Zeugen oder der Angeklagte aussagen. So soll eine Beeinflussung der Zeugenaussage verhindert werden.

Allerdings resultiert aus diesem Anwesenheitsrecht keine Anwesenheitspflicht des Nebenklägers. Sein persönliches Erscheinen kann nicht angeordnet und nur erzwungen werden, wenn er zugleich als Zeuge geladen ist.

Die Rechte des Nebenklägers in der Hauptverhandlung bestimmt § 397 Abs. 1 Satz 3 StPO. Danach ist der Nebenkläger u.a. zur

 

  • Befragung von Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen,  

  • Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden,  

  • Beanstandung von Fragen,  

  • Stellen von Beweisanträgen und zur  

  • Abgabe von Erklärungen berechtigt. 

 

Schließlich muss dem Nebenkläger das Wort zum Schlussvortrag erteilt werden. Er darf nach der Staatsanwaltschaft und vor dem Angeklagten plädieren.

Weiterhin ist dem Nebenkläger nach § 397a Abs. 1 StPO auf seinen Antrag hin ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn besonders schwere Nebenklagedelikte im Raum stehen. Hierzu zählen insbesondere schwerwiegende Sexualstraftaten wie z.B. die Vergewaltigung oder Sexualstraftaten an zur Tatzeit Minderjährigen. Das durch die Beiordnung des Rechtsanwalts verursachte Kostenrisiko trägt in diesen Fällen der Staat. Ein Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen den Nebenkläger besteht nicht.

In diesem Zusammenhang steht dem Nebenkläger nach § 406e StPO auch ein Akteneinsichtsrecht zu. Danach kann der Rechtsanwalt des Nebenklägers die gesamten Verfahrensakten einsehen, wenn ihm dafür ein berechtigtes Interesse zusteht.

Insbesondere in Sexualstrafverfahren in denen häufig Aussage gegen Aussage steht, birgt dieses Akteneinsichtsrecht Risiken in sich.

Es besteht jedenfalls die Gefahr, dass die Aktenkenntnis die Zuverlässigkeit und den Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage des Nebenklägers beeinträchtigt. Diese Gefahr droht bereits dann, wenn der Anwalt seinem Mandanten, d.h. dem Nebenkläger, lediglich den Akteninhalt mitteilt ohne, dass der Nebenkläger selbst die Akte je in den Händen hielt.

Die Problematik ist dabei offensichtlich: Wenn ein Zeuge Unterlagen von früheren eigenen Aussagen hat und diese vor einer erneuten Befragung liest, kann dadurch die Erinnerung an die früheren Aussagen aufgefrischt werden. Diese „Auffrischung“ des Gedächtnisses kann dann zu einer hohen Deckungsgleichheit (sog. Aussagekonstanz) führen, obwohl die Aussage tatsächlich nicht erlebnisbasiert und damit „falsch“ ist. Die Aktenkenntnis des Nebenklägers kann daher zu einer fehlerhaften Beweiswürdigung durch den Richter und damit auch zu einem falschen Urteil führen.

Um diese Gefahr einzudämmen, kann deshalb das Akteneinsichtsrecht des Nebenklägers nach § 406e Abs. 2 Satz 2 StPO eingeschränkt werden, wenn eine Gefährdung des Untersuchungszwecks droht. Dies ist in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen regelmäßig der Fall.

Letztlich steht dem Nebenkläger nach §§ 395 Abs. 4 Satz 2, 400, 401 StPO auch das Recht zu, Rechtsmittel – also insbesondere Berufung und Revision – gegen das Urteil einzulegen. Insoweit gibt es also einen dritten Beteiligten, der neben der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten das Urteil anfechten kann.


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